Rückblick auf ein Jahr des Experimentierens 2025

23. Dezember 2025

Wenn wir heute auf das Jahr 2025 zurückblicken, steht darüber vor allem ein Begriff: «Trial and Error». Es war ein Jahr der Werkstattarbeit. Wir haben vieles ausprobiert, sind gelegentlich in Sackgassen geraten und mussten neu ansetzen. Das ist mühsam, aber lehrreich. Denn wie im klassischen Handwerk entsteht Qualität oft erst dann, wenn man bereit ist, zu korrigieren und zu feilen. Wir haben gelernt, dass nicht der schnelle Wurf zählt, sondern die Ausdauer, so lange am Detail zu arbeiten, bis es sitzt.

Die 10’000 Stunden der Meisterschaft

Richard Sennetts wegweisendes Buch «The Craftsman» bietet hierfür eine wunderbare intellektuelle Grundlage. Sennett beschreibt Handwerk als einen grundlegenden menschlichen Impuls: den Drang, eine Arbeit gut um ihrer selbst willen zu tun. Er betont, dass «making is thinking» ist – das Schaffen ist Denken.

Besonders relevant ist die oft zitierte «10’000-Stunden-Regel»: Wahre Meisterschaft erfordert nicht nur Talent, sondern vor allem Zeit, Geduld und endlose Wiederholungen. Im Kontext unseres Verlags wenden wir dies täglich an. Der Buchsatz, das Erstellen eines harmonischen Layouts, das Beherrschen komplexer Software oder die Feinabstimmung der Typografie – all das sind keine raschen Prozesse. Sie verlangen eine intensive Auseinandersetzung, in der Fehler nicht als Niederlagen, sondern als Lehrmeister dienen. Bei digiboo.ch haben wir 2025 genau das praktiziert: Wir haben Layouts iteriert, Entwürfe verworfen und neu begonnen, um letztlich Bücher zu schaffen, die nicht nur informieren, sondern berühren.

Der akademische Blick auf das Machen

Unser Team, geprägt von studierten Kunsthistorikern, bringt einen akademischen Blick in diese Praxis ein. Wir haben «gelernt zu lernen», wie es in der Tradition der Geisteswissenschaften heisst. Wir verstehen die kreative Phase nicht als blossen genialen Einfall, sondern als harte Arbeit. Wir kennen die historischen Dimensionen der Gestaltung – von den illuminierten Manuskripten des Mittelalters bis zu den modernistischen Experimenten des 20. Jahrhunderts. Diese Tiefe erlaubt es uns, Bücher nicht nur als Produkte, sondern als kulturelle Artefakte zu betrachten.

Layout vor Content – Ein produktives Paradoxon

Ein zentrales Phänomen, das uns in unserer Arbeit immer wieder begegnet, ist die «Textblindheit» beim professionellen Layouten. Wer einen Satzspiegel erstellt, wird oft blind für den Wortlaut: Man sieht nur noch Formen, Linien, Grauwert und Rhythmus, ohne den Text semantisch zu erfassen. Umgekehrt nimmt der reine Leser das Layout kaum wahr – er taucht in die Worte ein, ohne die visuelle Architektur zu bemerken.

Hier setzt unser Credo an: «Layout vor Content».

Das klingt provokativ, fast so, als stünde die Hülle über dem Inhalt. Doch wir verstehen dies als unser «First Principle»: Wir bauen zuerst ein perfektes strukturelles Gefäss (das Layout), das auf der inneren Wahrheit des Buches basiert, noch bevor der Text hineinfliesst. Weil wir als Kunsthistoriker das Wesen des Inhalts intellektuell vorab durchdringen, können wir es wagen, die Struktur radikal zuerst zu setzen. Wir zimmern erst den Rahmen, damit das Bild darin Halt findet. So überwinden wir die Trennung und verhindern, dass ein grosser Inhalt in einer schwachen Form verpufft.

Der Tekton und die Weihnacht

Morgen, am 24. Dezember, feiern wir Heiligabend, und es scheint passend, diesen Bogen zur Weihnachtsgeschichte zu schlagen. Besonders die Figur des Josef berührt uns tief. Im griechischen Urtext des Neuen Testaments wird er als «Tekton» beschrieben – ein Wort für Handwerker, Bauleute, oft als Zimmermann übersetzt.

Josef schuf als Handwerker den irdischen Rahmen für das heilige Ereignis: Er sorgte für Stabilität, Schutz und Halt. In seiner bescheidenen Tätigkeit liegt ein tiefer Stolz – der Stolz auf das Manufakturhafte. Ähnlich wie Josef versuchen wir Verleger, den würdigen Rahmen für Geschichten zu schaffen: Unsere Bücher sind Gefässe, die Inhalte hüten, sie aufwerten und der Welt präsentieren.

Liebe Community, in diesem Geist wünschen wir euch vom Digiboo Verlag frohe Weihnachten. Für 2026 schliesst sich damit der Kreis zu Richard Sennett: Lasst uns das kommende Jahr nutzen, um immer besser zu werden – wie ein Handwerker, der seine Fertigkeit mit jedem Griff vertieft. Möge 2026 euch die Chance geben, euer eigenes Handwerk weiter zu verfeinern und darin jene beständige Qualität zu finden, die entsteht, wenn man nicht nach dem Schnellen sucht, sondern danach strebt, wirklich gut zu werden.

Herzlich, Walther Fuchs
Verleger & Kunsthistoriker sowie das gesamte Team von Digiboo

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Der Digiboo Verlag im neuen Gewand