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Die Situation in der Turiner Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli gleicht einer kuratorischen Einmauerung: Das Publikum bewundert die dynamischen Linien der »Velocità astratta«, während die Rückseite der Leinwand – und mit ihr die historische Wahrheit – verborgen bleibt. Genau hier setzt dieser Band an. Er bricht das Schweigen der Museumswände und rekonstruiert die doppelseitige Geschichte eines Gemäldes, das auf seiner Kehrseite untrennbar mit der faschistischen Politik der 1930er Jahre verwachsen ist.
Als zweiter Band der von Wolfgang F. Kersten herausgegebenen Reihe »Kunst- und Zeitgeschichte« leistet die Publikation eine fast forensische Arbeit. Sie demonstriert, dass die Trennung von »reiner Kunst« und »schmutziger Politik« eine Illusion ist. Für Kunsthistoriker, Sammler und Kulturwissenschaftler bietet das Werk nicht nur exklusive Einblicke in die Provenienz und die politischen Strategien Ballas, sondern auch eine methodische Blaupause dafür, wie wir heute mit dem schwierigen Erbe der Moderne umgehen müssen. Es ist ein Plädoyer gegen das flüchtige Betrachten und für das tiefe Verstehen – eine notwendige Korrektur im Kanon der Kunstgeschichte.
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